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Jeden Sonntag um 10 Uhr MEZ ein neues Video „rund um die Orgel“ Every Sunday at 10am CET a new video with organ (or other keyboard) music Mit freundlicher Genehmigung des Vereins KEMPENER ORGELKONZERTE e.V. 00:00 Intro 00:19 BWV 659 05:39 BWV 660 08:52 BWV 661 Als Bach in seinem letzten Lebensjahrzehnt eine Handschrift mit Reinschriften von bereits früher entstandenen Orgelchorälen anlegte, beabsichtigte er, diese Werke einem Zustand der Vollendung zuzuführen – so meint man. Aber war dem wirklich so? Bereits die Ursprungskompositionen (ihr Entstehen um 1710/14 in Weimar ist durch aus dieser Zeit datierende Abschriften gesichert) waren in ihrer Art unübertroffene Meisterwerke – u.z. gerade auch in der neugierigen Unbekümmertheit, mit der sie neuartige formale Strategien ausprobieren, die Bach erst später in seinen Leipziger Jahren zu einer mathematisch abgezirkelten Architektonik weiterentwickelt hat. Die Rohdiamanten aus seiner Weimarer Zeit zu Brillanten zu schleifen, hätte weitergehende Eingriffe erfordert, worauf der Komponist tunlichst verzichtete; die Beseitigung von Satzfehlern, eine gelegentliche Glättung der Ornamentik etc. sind mehr oder weniger rein kosmetische Korrekturen. Dass Bach auch dabei nicht sehr systematisch zu Werke gegangen ist, beweist die „Endfassung“ der Choralbearbeitung „Nun komm, der Heiden Heiland“ BWV 659. Im zugrunde liegenden Choral lauten erste und vierte (zugleich letzte) Choralzeile gleich; dementsprechend gestaltet Bach auch deren Bearbeitung gleichlautend. Eine kleine rhythmische Änderung der Kolorierung der ersten Choralzeile, die er bei der „Revision“ angebracht hat, versäumt er allerdings, auch bei der letzten Choralzeile anzubringen. Vergessen? Absicht? Überhaupt hat man, wenn man die Sammlung als Ganzes überblickt, den Eindruck, als wenn Bach die ursprüngliche Energie verhältnismäßig schnell abhanden gekommen sei: Zahl und Art der Revisionen werden immer unerheblicher... In BWV 659 liegt zudem der Fall vor, dass er anscheinend einen logischen Lapsus zu beseitigen suchte – nicht ohne einen neuen zu schaffen...: Das Stück beginnt mit einer Vorimitation des Liedbeginns in Tenor und Alt (g-g-f-b), welche jene Erhöhung des Leittons (g-g-fis-b) nicht kennt, die Bach bei dieser Melodie normalerweise angewandt hat und die in der Urfassung (BWV 659a) eben tatsächlich auch in der nach drei Takten einsetzenden, dem Sopran zugewiesenen ornamentierten Solostimme begegnet. Bei der Revision fehlt nun an dieser Stelle das Vorzeichen (und auch keiner der zeitgenössischen Kopisten hat sich bemüßigt gesehen, es zu ergänzen!) – hat Bach es vergessen? Oder wollte er eine Angleichung an die leittonfreie Vorimitation herstellen? Für eine bewusste Eliminierung des fis in der ersten Choralzeile spricht auch die Weglassung des Mordents auf dem vorhergehenden g (der ebenfalls eher mit fis auszuführen ist) sowie des anschließenden Doppelschlages. Dann aber hätte Bach die Kongruenz der ersten und letzten Choralzeile zerstört, insoweit bei Letzterer das fis auch in der Revision NICHT „vergessen“ (?) wurde, sondern sehr wohl steht (ebenso wie Mordent und Doppelschlag). Freilich fehlt hier auch die besagte Vorimitation – und damit war auf ihre Art bereits die Erstversion inkonsequent, weil sie zwar nach Art eines herkömmlichen Orgelchorals imitatorisch beginnt, diese Technik aber nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, bei den weiteren Choralzeilen weiterverfolgt... Gerade das macht den Zauber des Stückes aus, das sich in der überbordenden Verzierung der Choralmelodie von dieser gänzlich löst und sich in immer weitergehenden Figurationen verliert. Es hat den Anschein, als hätte Bach schon in den ersten Takten jeglichen wohlüberlegten Plan aufgegeben, um sich ganz seiner Stimmung hinzugeben... Höchst eigenartig ist die zweite Bearbeitung von „Nun komm, der Heiden Heiland“ BBV 660. Rätselhaft ist die Überschrift „a due bassi“, die bezeichnenderweise in der Urfassung BWV 660a (die im Autograph erhalten ist) fehlt. In dieser findet sich vielmehr die übliche Anweisung „für zwei Klaviere und Pedal“, die der ganz gewöhnlichen Faktur (Bass im Pedal, Begleitung und Choral auf zwei Manuale verteilt) Rechnung trägt und dementsprechend wohl auch nach der „gewöhnlichen“ Registrierung verlangt (16' im Pedal, nicht im Manual). Tatsächlich ist diese der linken Hand zugewiesene Stimme keine wirkliche Bassstimme, sondern aufgrund ihres Umfangs eher als Tenorstimme anzusprechen. Dass das Pedal tonsatzmäßig den eigentlichen Bass abgibt, ergibt sich aus den Kadenzen, in denen stets das Pedal die üblichen Kadenzschritte ausführt, sodass auch von daher kein Zweifel bestehen kann, dass die Pedalstimme ganz gewöhnlich mit 16' registriert werden muss (was für die linke Hand grundsätzlich kaum infrage kommt). Der durch die Registrierung gegebene Oktavabstand der beiden „Bass-Stimmen“ ist auch in einer wohl von Joh. G. Walther angefertigten Bearbeitung gegeben (Choral im Pedal, Begleitstimmen in den Händen).